35 Prozent der Teile von Tesla sind deutsch

In meinem Beitrag über meine Entscheidung Volkswagen ID.3 vs. Tesla Model 3 habe ich angesprochen, dass das Modell von Tesla zu einem erheblichen Teil aus deutscher Technologie besteht. Nun haben wir dazu eine konkrete Zahl: 35 Prozent der Teile von Tesla sind deutsch.

In einer neuen Studie von Prof. Dr. Jan-Philipp Büchler von der Fachhochschule Dortmund hat das nun eindrucksvoll und wissenschaftlich bestätigt: 35 Prozent der Teile stammt von deutschen Unternehmen, die vielfach vollkommen unbekannt sind. Es handelt sich also um die typischen „Hidden Champions“, die in der Lieferkette von Tesla mithalten können.

Bild: Prof. Dr. Jan-Philipp Büchler

In der Studie, die als Vorabdruck veröffentlicht wurde, werden auch einige weitere Strategien von Tesla analysiert. Beispielsweise übernimmt Tesla gezielt Lieferanten, um sich einerseits den Zugang zu deren Leistungen zu sichern, andererseits aber auch um den Mitbewerb davon abzuschneiden.

So wird das Beispiel der Übernahme von Grohmann Engineering als Beispiel angegeben. Nach der Übernahme kündigte das Unternehmen alle Verträge mit Mercedes Benz, was 2019 zu einem akuten Lieferengpass beim Modell EQC führte.

Das war sicher nicht die Hauptmotivation für die Übernahme, aber sicherlich ein angenehmer Nebeneffekt. Letztlich ist das auch das Designprinzip eines erfolgreichen Autoherstellers: Jedes Teil muss mehrere Funktionen ausführen und damit einen Mehrwert zusätzlich zur Einzelfunktion schaffen.

Die Strategie geht also weit darüber hinaus, Autos in einigen Stunden weniger herzustellen als der Mitbewerb.  Volkswagen plant eine komplett neue Fabrikshalle für E-Autos in Wolfsburg, aber ist das wirklich der entscheidende nächste Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit? Oder sieht es nur gut nach außen aus und simuliert einen Fortschritt gegenüber dem Tesla-Werk in Grünheide, den es in Wirklichkeit nicht gibt? VWs Transformation kann nicht nur in neuen Hallen bestehen.

Die Zukunft wird es zeigen und das Match bleibt spannend und ich weiß nur zu gut, wie aufreibend dieser Weg ist: Auch in der Signaltechnik hat sich der Fokus von Mechanik und Relais zu enorm Software-lastigen Systemen gewandelt, die aus Millionen Codezeilen zusammengesetzt sind. Viele Hersteller sind dafür nicht ideal positioniert: Management und Belegschaft kommt vielfach nicht aus dem Bereich Software und die derzeitigen EntscheidungsträgerInnen haben die technische Ebene verlassen, als Relais noch innovativ waren oder – schlimmer – haben überhaupt keinen technischen Background. Ich übertreibe an dieser Stelle sicherlich, aber das Grundprinzip stimmt einigermaßen.

Mutmaßlich ist das bei den OEMs auch nicht fundamental anders und das Umlernen ist weder einfach noch reibungsfrei oder gar ein kurzfristiger Prozess. Zusätzliche Heerscharen von im Schnellsiedeverfahren angelernten Softwerkerinnen helfen bei dieser Herausforderung nicht unbedingt weiter, auch wenn sie ein Teil der Lösung sein können.

Tiefes organisatorisches Wissen und Verhalten lässt sich leider nicht beliebig rasch in ein System hineinbefehlen, selbst wenn es das Gehorchen gut gelernt hat. Oder gerade dann. Agilität lässt sich nicht verordnen, sie muss kooperativ wachsen können.

Als zertifizierter Scrum Master möchte ich den Blick darauf lenken, dass sich die Werte des Manifest für Agile Softwareentwicklung („Agile Manifesto“) um Humanität, Individualität und systemische Dynamik drehen, nicht um Befehlshierarchien, „Command and Control“-Strukturen oder rigide Formalismen.

Oder VW geht den Weg der britischen Monarchie: Immer noch vorhanden, aber zunehmend weniger ernst genommen…


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