Derzeit sind die Strompreise an Ladesäulen wieder stark im Gespräch – Strompreiserhöhung bei Tesla, Strompreise im ministeriellen Deutschlandnetz und wie nahezu jeden Monat Strompreisänderungen der unterschiedlichen Fahrstromanbieter.
Dass in Deutschland die Strompreise für Endverbraucher hoch sind, ist bekannt. Vielen ist aber nicht klar, wie extrem hoch die Preise im Vergleich sind.
Anlässlich meines Besuchs in Wien nehme ich Österreich als Beispiel. Der Ökostromtarif in der Großstadt Wien beträgt aktuell 10,1872 Cent pro Kilowattstunde. Die Grundgebühr beträgt 19,08 Euro pro Jahr – nicht pro Monat!
Der typische Gewerbetarif in Wien liegt bei etwa 8 Cent pro kWh, nur etwa 20 Prozent unter dem Privatkundentarif. Er ist damit ähnlich hoch wie der deutschen Industrietarif. Strom ist also für Unternehmen günstiger, aber nicht extrem günstiger. Natürlich gibt es auch individuelle Sondertarife, denn Österreich ist nicht nur ein Tourismusland. Es gibt auch mit dem Stromtarif stark subventionierte Stahl- und Aluminiumindustrie.
Aber es soll hier um den Endverbraucher gehen. Nehmen wir an, ein Zweipersonenhaushalt mit E-Auto verbraucht etwa 5.000 kWh pro Jahr.
Bei der LSW Wolfsburg kostet das im günstigsten Fall 27,98 Cent pro kWh plus 94 Euro Grundgebühr pro Jahr. Das sind insgesamt also 1.493 Euro. Bei Wien Energie kostet dasselbe knapp 529 Euro, beinahe nur ein Drittel (ca. 35 Prozent).
Sind das nun spezielle Preise für eine Großstadt, bei der die Versorgung wegen der Dichte der Anschlüsse möglicherweise besonders einfach ist? Keineswegs, im gebirgigen Tirol ist der Strom noch billiger. Da würden die 5.000 kWh Jahresverbrauch mit Online-Bonustarif nur noch 410 Euro kosten und damit beinahe nur ein Viertel der in Wolfsburg verlangten Kosten (ca. 27 Prozent, um genau zu sein).
Natürlich gibt es ein paar Unterschiede, die nicht sofort sichtbar werden. Der in Deutschland weitgehend problemlose und derzeit hoch geförderte Anschluss einer 11 kW-Wallbox ist in Österreich nicht ganz so einfach. Der typische Haushaltsanschluss ist nämlich nur für 4 kW Durchschnittsleistung ausgelegt und nicht für 30 kW, wie in Deutschland üblicherweise der Fall. Für zusätzliche 11 kW Anschlussleistung können durchaus Einmalkosten von bis zu 3.000 Euro anfallen. Für eine „kleine“ Wallbox mit 3,7 kW Leistung (= 16 A einphasig) muss aber nichts extra bezahlt werden.
Vergleichen wir andererseits die Einspeisetarife für Solaranlagen. Wien Energie bietet derzeit 7,8423 Cent pro kWh und der Preis wird anhand der Strombörsenpreise jährlich neu berechnet. Die Einspeisevergütung in Deutschland für im Juli 2021 in Betrieb genommene Anlagen beträgt 7,47 Cent, falls sie weniger als 10 kW Spitzenleistung aufweist. Sie bleibt dann für 20 Jahre konstant. Allerdings geht ohnehin niemand davon aus, dass der Einspeisetarif in Deutschland irgendwann steigen wird. Die Preise an den Strombörsen könnten jedoch innerhalb von 20 Jahren durchaus höher sein als heute, allein schon aufgrund der zunehmenden Inflation. Aber davon abgesehen: Die Einspeisevergütung in Wien ist mittlerweile höher als die deutsche, und zwar ohne ein komplexes Umlageverfahren. Dem kann man entgegenhalten, dass die ausgebaute Leistung in Österreich relativ gesehen nur etwa 37 Prozent von Deutschland erreicht hat, die bisherigen höheren Einspeisetarife also den Ausbau wirksam gefördert haben.
Ich bin dennoch nahezu sicher, dass die meisten Konsumenten den günstigeren österreichische Strompreis bevorzugen würden. Er wäre auch wesentlich einfacher als ein durch Umlagen hoher Strompreis mit komplizierten Rückvergütungsmechanismen zur sozialen Abfederung.
Und diese Mechanismen gibt es bekanntermaßen bis heute nicht.
Die politische Strompreisdifferenz für den Endkunden ist in Deutschland also hoch. Zu hoch vielleicht, um die Elektrifizierung von Verkehr und Haushalten wirksam voranzutreiben?