Mein erstes Mal mit dem ID.3

Nach einer längeren Ausfahrt erreichte ich bei fortgeschrittener Dunkelheit die E-Mobility-Station in Wolfsburg. 23 Kilometer Restreichweite waren noch in der Batterie, also ein durchaus komfortables Ankommen ohne Reichweitenangst und mehrere Ladeanschlüsse waren verfügbar. Es begann gerade zu regnen.

Soweit alles normale Verhältnisse für Wolfsburg.

Und doch war etwas anders: Ein Fahrzeug stand an einem der Ladepunkte, von denen die ursprünglichen Tanksäulen ersetzt wurden. Da diese sehr selten benutzt werden, war das allein schon beachtenswert. Erst nach einiger Zeit realisierten meine vom Scheinwerferlicht geblendeten Augen: Da stand doch tatsächlich ein ID.3 in voller Lebensgröße!

Natürlich wollte ich mit dem Fahrer ins Gespräch kommen, was auch problemlos möglich war. Er stellte sich als Mitarbeiter der Forschungs- & Entwicklungsabteilung von Volkswagen vor, der mit einem Vorserienfahrzeug unterwegs wäre, um auf möglichst breiter Basis zu testen, ob das Fahrzeug mit allen Ladepunkten kommunizieren kann und fehlerlos auflädt. Dabei gäbe es auch weitestgehend keine Probleme.

Also noch mehr Bilder? Ein Foto des Interieurs war nicht so sehr erwünscht, vor allem weil die Innenraumteile noch nicht den Serienstand abbilden würden. Nun ja, die sahen wirklich mehr nach Zoe 2013 und weniger nach Volkswagen 2020 aus.

Ansonsten war das Fahrzeug innerlich durchaus ansprechend, auch im Vorserienzustand. Das kleine Display hinter dem Lenkrad sah im Betrieb tatsächlich recht niedlich aus. Das kann aber funktionieren, selbst wenn es auf den ersten Blick wie eine wilde Anhäufung von Icons anmutete. Das ist mir durchaus recht, denn persönlich mag ich das „schwarze Loch“ hinter dem Lenkrad nicht so sehr und mit so einem Setup bin ich immerhin drei Jahre lang in einem Renault Twingo herumgefahren. An Mangel an Gewöhnungszeit lag es also definitiv nicht.

Die Reichweitenerwartung läge nach Aussage des VW-Mitarbeiters bei 440 km, allerdings hätte er die Wärmepumpe verbaut. Allerdings plant Volkswagen diese Funktion bekanntlich nur bei der teuersten Variante des ID.3 First mitzugeben, was definitiv eine kleinliche Vorgangsweise ist – immerhin soll das Fahrzeug ein Erfolg werden. Auf eine billige Reichweitenverlängerung zu verzichten ist eine vergebene Chance und eine deutliche Fehleinschätzung. Billigere Autos wie der Zoe und der ähnlich positionierte (aber ebenfalls noch nicht erhältliche) Peugeot e-208 bringen die Wärmepumpenfunktion ohne Aufpreis mit.

Doch zurück zum leibhaftigen ID.3! Das Fahrzeug erscheint spürbar länger als ein Standard-Golf und nähert sich dem Längeneindruck eines Golf Variant an. Die Silhouette bei Nacht ist ebenfalls durchaus Golf-artig – eine feine Balance zwischen „doch-nicht-ganz-Golf“ und Vermeidung des Schocks des Neuen. Vielleicht lag es an der Dunkelheit und der komplett schwarzen Farbe des Versuchs-ID.3, dass sich dieser Eindruck so deutlich aufdrängte.

Die Unkenrufe in den Medien, die von massiven Softwareproblemen berichten, übertreiben also ganz offensichtlich. Bei einer neuen Plattform mit einer erheblichen Menge neuer Komponenten sind Integrationsprobleme absolut erwartbar. Mit genügend Überstunden werden das die Lieferanten der Komponenten schon hinbiegen. So fix und in Stein gegossen ist der Zeitplan ohnehin noch nicht, kein einziger Kunde konnte bisher überhaupt nur bestellen, geschweige denn einen Auslieferungszeitpunt genannt bekommen. Und nicht zu vergessen: Der neue Renault Zoe hat es bis zum Händler geschafft, um dann wegen Problemen mit der Software dann doch nicht an die Kunden übergeben zu werden. Auch wenn Renault kein Musterbeispiel gelungener Software ist: Derartige Vorkommnisse scheinen die neue Normalität zu sein.

Doch wie erwähnt: Da ist noch Zeit bis zur Auslieferung. Wenn es jetzt schon keine Probleme mehr gäbe und alle über neun Monate Daumen drehen wäre das auch sicher niemandem recht. Dann würde gejammert, dass das Fahrzeug noch nicht ausgeliefert wird, obwohl doch schon alles fertig wäre.

Wenn VW bei der Batteriekennlinie und der Wärmepumpe also nicht auf knausrig schaltet, kann man sich durchaus auf das neue Modell freuen!


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