Das Ende von JUCR

JUCR war eine gute Idee: Es sollte einfach, bequem und günstig sein. Nun sehen wir das Ende von JUCR und das bedeutet wohl: Eines der drei Dinge hat nicht funktioniert.

Das Ende von JUCR

Nun gut, es ist nicht das Ende von JUCR, aber das Ende des Flat Rate-Geschäftsmodells. Es gab eine sehr rege Diskussion auf Goingelectric.de, im Zuge derer argumentiert wurde, dass JUCR ohnehin keine Flat Rate war, denn es gab eine „Soft Fair Use“-Obergrenze von 450 kWh (obwohl in einem Youtube-Video wurde zwar von einem der Investoren das Gegenteil behauptet, aber wir wollen bei Werbung nicht so pingelig sein). Das Argument gegen die Flat Rate-Behauptung von JUCR war also eher schwach.

Es gab auch eine Diskussion darüber, ob man nicht auch die Autos von Familienmitgliedern und Freunden über dieselbe Flatrate laden dürfte. Das ist etwa dieselbe Frage, ob nicht auch die Familie auf einem einzigen All-You-Can-Eat-Ticket mitessen darf. Natürlich haben die JUCR-AGBs das ausgeschlossen, aber es ist im Gegensatz zum Buffet beim Laden viel schwieriger zu kontrollieren. Da haben einige offensichtlich etwas zu kreative Ideen gehabt.

Wir wissen auch, dass sehr viele StromfahrerInnen scharfe Rechner sind und den Ladeanbieter wegen 2 Cent weniger pro Kilowattstunde wechseln, ohne mit der Wimper zu zucken. Warum auch nicht? Das ist rational, denn die Ersparnis kann sich jeder ausrechnen und der Strom am Ladepunkt ist genau derselbe. Doch erwartete Investor Jörg Heynkes ein anderes Verhalten von seinen Kunden, wie er im Interview ausführte: Wer zu sehr auf den Cent schauen würde, hätte das Thema nicht wirklich verstanden – es ginge vielmehr um die Einfachheit für alle, die nicht daheim laden könnten. Das war offensichtlich die Hoffnung auf einen altruistischen Markt, trotzdem schätzte Herr Heynkes die Überlebenschance von JUCR auf nur 30 bis 40 Prozent ein.

Bequem war JUCR jedenfalls: Die Abdeckung von Ladepunkten war hervorragend und beim Starten der Ladepunkte hatte ich nur ein einziges Mal Probleme. Das ist ein sehr gutes Ergebnis! Dass der Dienst in Tiefgaragen ohne Empfang mit dem Smartphone nicht funktioniert, sei JUCR verziehen. Das machen andere Anbieter auch nicht besser, sofern sie keine Ladekarten ausgeben.

Einfach war JUCR sicherlich: Nur zwei Tarife. Anstecken und in der App aktivieren. Nur Plug & Charge ist einfacher…

Kostengünstig? Definitiv, unschlagbar günstig sogar. 49 Euro pro Monat für 450 kWh ergibt im besten Fall 10,9 Cent pro Kilowattstunde. Nicht kostenlos wie bei Lidl oder IKEA, aber für mich ein Preis, bei dem ich mir keine großen Gedanken mache. Da muss man nicht unbedingt den letzten Cent mit Extremladen rauspressen.

Ich fahre eher viel (35.000 Kilometer pro Jahr), trotzdem habe ich die 450 kWh Lademenge in den letzten vier Wochen nicht erreicht. Allerdings habe ich etwas über 40 Euro für Ladestrom bei anderen Anbietern zusätzlich ausgegeben. Meine gesamten Stromkosten in den vier Wochen meines Lebens mit JUCR waren somit bei etwa 81 Euro.

Ungefähr 358 kWh habe ich für meine 49 Euro geladen, das ergibt 13,69 Cent pro Kilowattstunde. Das ist ein Spitzenpreis, bei dem man sich Sorgen um den Anbieter machen muss, denn selbst das Doppelte wäre noch unter meinem Hausstrompreis gewesen. Unter 14 Cent bezahlen in Deutschland bestenfalls Großunternehmen mit riesigen Verbräuchen und nur Aluminiumhersteller kaufen den Strom billiger ein.

Morgen endet mein JUCR-Abo in seiner bisherigen Form. Ab dann müsste ich mühsam mitrechnen und hätte eine monatliche Verpflichtung für nicht wirklich günstigen Strom. Dazu Strompakete, die den Ladestrom weiter verteuern, wenn sie nicht bis aufs Letzte ausgenützt werden, weil der Rest am Monatsende verfällt.

Das ist das exakte Gegenteil von bequem und falls die App so wie bisher keine Summe über die geladene Strommenge bildet, dann muss man auch noch selbst kalkulieren. Das füllt die Ladeweile, ist aber nicht mehr bequem…

Dabei hatte ich gedacht, das Geschäftsmodell von JUCR zu verstehen: Auf Bequemlichkeit setzen und hoffen, dass nicht jeder Kunde ans Maximum geht. Das Modell von Fitness Centern eben: Viele bezahlen und nicht so viele gehen hin. Vielleicht hätte JUCR auch am Verkauf von Daten verdienen können, obwohl es keinerlei Hinweise gibt, dass sie das tatsächlich auch getan oder geplant hatten.

JUCR konnte den Monatsbeitrag der Kunden im Vorhinein kassieren, musste den Strom aber erst im Nachhinein bezahlen, ein oder zwei Monate später vielleicht. Ein Großteil des Handels lebt nach diesem System und selbst so große Unternehmen wie Boeing verbesserten schon mal ihre Bilanzen auf diese Weise. Bei rasch wachsenden Kundenzahlen kann man auf diese Weise schneller als die Kosten sein, doch sobald der Kundenzuwachs abflacht und keine neuen Monatsgebühren mehr sprudeln, wird man von den Kosten überrollt.

So dürfte es JUCR ergangen sein, nachdem sie seit September 2021 auf dem Markt waren. Die Rechnungen der Stromanbieter begannen sich vermutlich zu stapeln. Mein Monatsbeitrag konnte das Geschäftsmodell auch nicht mehr retten 😉

JUCR war radikal günstig, wohl um eine große Menge von NutzerInnen anzulocken. Vielleicht hat es zu gut funktioniert. Diese Experimente haben in der Vergangenheit mehrere Anbieter gemacht und nicht zum Erfolg geführt: Telekom, Maingau, ELVAH, …

Was bleibt: Es gibt einen Teil von ElektronautInnen, die neuartige Ladedienste gerne ausprobieren. Aber sie sind sehr preissensibel und scheu wie eine Herde Rehe. Zeige ihnen einen Cent Preiserhöhung und sie verschwinden im Wald!

Das wird JUCR nun vermutlich ebenfalls passieren – leider. Es war eine gute Idee, aber zu gut, um wahr zu sein und zu bleiben.

Für mich bedeutet es: Adieu JUCR!


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Kommentare

Eine Antwort zu „Das Ende von JUCR“

  1. […] Dort gibt es zwei Möglichkeiten der Tarifierung: Nach Volumenpaket oder nach Zeit. Ich hatte in meiner JUCR-Zeit unter 400 kWh Monatsverbrauch, die mich bei gogreenernergy im Volumentarif (Paket L bis 420 kWh) […]

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