Wucher an der Ladesäule

Erfahrene Emobilist:innen kennen das Vergnügen, an einer Ladesäule den günstigsten Tarif als Kombination aus Strompreis, Startgebühr, Zeitanteil und möglichen Standkosten herauszufinden. Das ist schon in Deutschland nicht einfach, im Ausland sind die Unterschiede zwischen den Anbietern noch wesentlich größer, mitunter trifft man auch auf Wucher an der Ladesäule.

Wegen meines Aufenthalts in Wien musste ich diese Fragestellung konkret bearbeiten. Als Beispiel verwende ich Ladepunkte von Wien Energie (AC 11 kW). Zur Berechnung eines kompletten Ladevorgangs nehme ich eine Ladung von 40 kWh in vier Stunden an.

In der folgenden Tabelle habe ich die möglichen Kosten (Stand Juni 2021) zusammengefasst.

AnbieterTarifKosten pro kWhKosten pro Ladung
Wien Energie (Tanke App)2,90 EUR / Stunde (08:00-22:00)29 Cent11,60 EUR
Maingau Einfach Strom Laden0,38 EUR / kWh + Standzeitzuschlag ab vier Stunden38 Cent15,20 EUR
Shell Recharge0,174 EUR / Minute104 Cent41,76 EUR
ENBW+0,39 EUR / kWh + Standzeitzuschlag ab vier Stunden39 Cent15,60 EUR
Plugsurfing0,191 EUR / Minute115 Cent45,84 EUR
Entaga0,17 EUR / Minute102 Cent40,80 EUR
Nextcharge0,18 EUR / Minute108 Cent43,20 EUR

Der Unterschied zwischen dem günstigsten und dem teuersten Angebot beträgt in diesem Beispiel knapp 300 %. Das erinnert deutlich an die Anfangszeiten der Mobiltelefonie. Vielleicht greift auch hier die EU irgendwann einmal mit einer Deckelung der Roaming-Aufschläge ein. Danach sieht es aber derzeit noch nicht aus.

Wer noch günstiger laden möchte, kann während der Nacht (22:00-8:00) um 0,70 EUR pro Stunde laden, bei 11 kW Leistung sind das konkurrenzlos günstige 6,3 Cent pro Kilowattstunde! Selbst die größte Batterie wird in Wien über Nacht zum Sonderpreis von 7 Euro in zehn Stunden voll.

Ebenfalls interessant: Bei Bezahlung direkt beim Betreiber Wien Energie fallen die geringsten Kosten an. Doch es ist Vorsicht angesagt: Das gilt nur für dieses Beispiel! Da der Preis nur zeitabhängig ist, würden die Stromkosten stark ansteigen, wenn man längere Zeit an der Ladesäule steht und weniger als 11 kW Ladeleistung abruft.

Und wird man wird möglicherweise vom Auftauchen einer größeren Baustelle hinter der Ladesäule überrascht…

Die plötzliche Baustelle

Dass man beim Laden im Ausland sehr genau aufpassen muss, zeigt dieses Beispiel: Über Plugsurfing wurde für eine Wien Energie-Ladesäulen der Preis von 11,48 Euro angezeigt, und zwar pro Minute! Der vierstündiger Ladevorgang aus dem Beispiel hätte damit schlanke 2.755 Euro gekostet, knapp 70 Euro pro Kilowattstunde. Auch das erinnert an die Anfänge der Mobiltelefonie und ist selbst für leidgeprüfte deutsche Stromkunden etwas zu viel des Guten.

Ladewucher in der Hyrtlgasse

Das wäre schon ein klassisches Beispiel für Sachwucher gewesen. Ob Plugsurfing diesen Wucher an der Ladesäule wirklich verrechnet hätte ist schwer zu beurteilen, vermutlich hätte man sich auf einen offensichtlichen Fehler berufen können. Aber wer weiß, ich bin froh, es nicht ausprobiert zu haben…

Zum Glück wurde der Preis mit dem Update für Juli 2021 auf 0,191 Euro pro Parkminute korrigiert. Plugsurfing ist damit nach wie vor das teuerste Angebot, man geht aber nicht mehr bankrott…


Beitrag veröffentlicht

in

von