Jean-Pierre Zimmer ist mit über 200.000 Abonnenten einer der erfolgreichsten deutschen Autoschrauber auf YouTube. Er arbeitet ausschließlich an Motoren von Mercedes Benz, sein Kanal heißt immerhin „Motoren Zimmer“. Trotzdem fährt er einen VW Passat als täglichen Dienstwagen. Niemand ist frei von Widersprüchen! Doch jetzt fährt Herr Zimmer elektrisch.
Herr Zimmer arbeitet immer höchst sauber und akkurat. Seine Videos sind vollgepackt mit Detailinformation für Verbrennerfreaks und deshalb zumeist schön anzusehen. Sie demonstrieren aber auch, wie kompliziert so ein Verbrennungsmotor heutzutage aufgebaut ist und wie viel Arbeit manchmal für einen einfachen Zündkerzenwechsel (24 Zündkerzen als Rekord) aufgebracht werden muss. Oder ein simples Motorlager!
Nun hat er einen Mercedes EQS als vollelektrisches Modell zur Probefahrt in der Werkstatt gehabt, als Vergleichsmodell zu einer 50 Jahre alten S-Klasse von 1972. Erfreulicherweise und im starken Unterschied der meisten Elektro-Youtuber zeigt er das Auto größtenteils von unten und schreckt nicht davor zurück, die Unterbodenverkleidungen abzuschrauben. Das gibt wunderschöne Einblicke in die verbaute Technik!
Und es zeigt sich, dass hier mit enormer Gründlichkeit vorgegangen wurde, sogar die Querlenker an der Hinterachse sind aerodynamisch verkleidet. Mit einer Nenn-Reichweite von 768 Kilometern für das 245 kW starke hinterradgetriebene Modell (671 km für das Allradmodell „4matic“ mit 385 kW Leistung) ist der EQS ganz vorne mit dabei. Der Cw-Wert von 0,20 (zum Vergleich: Porsche Taycan 0,22 und Tesla Model 3 0,23) sowie die Batteriekapazität von 107,8 kWh helfen dabei natürlich.
Der Raum unter der vorderen Haube ist allerdings vollgestopft, da zeigt sich noch viel von der Verbrennertradition. Mercedes-untypisch ist die Motorhaube innen nur sparlackiert, Tesla lässt grüßen. Die Fragen aus der Zimmer-Community überraschen sicher keinen E-Fahrer. Wo bleiben die Emotionen? Sind E-Autos nicht einfach nur noch eierglatt und damit hässlich? Wie ist der Sound? (die überraschende Antwort: Raumschiff und Klospülung).
„Ich kann mir das als Zweit- oder Drittauto tatsächlich vorstellen“, meint Herr Zimmer großzügig. Für ein Auto mit einem Basispreis von jenseits der 106.000 Euro (135.000 Euro als „Edition 1“) ist das erfrischend kühn. Kein Gejammer wegen der Innovationsprämie, die es für dieses Auto nicht gibt!
Kunden von Mercedes sind offensichtlich an andere Preisebenen gewöhnt, Youtuber mit 200.000 Abonnenten offenbar auch.
Der Innenraum ist aber erste Sahne der Kuscheligkeit, die Bildschirmlandschaft am Armaturenbrett hat die Ausmaße einer Kinoleinwand. Das ist schon alles Premium und Mercedes-würdig.
Es ist schön, so ein mächtiges Stück Technik zu sehen, allerdings: In der Mitte und am unteren Ende des Automarktes muss noch deutlich mehr Angebot entstehen, die elektrische A-Klasse sozusagen. Und man sieht auch noch Optimierungspotenzial bei der Menge an Streben, Haltern, Schläuchen und Verbindern, die im Video zu sehen waren. Die Entwicklung kann da durchaus noch weitergehen.
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