In der Ausgabe für November 2025 der Mitgliederzeitung des ÖAMTC (österreichischer Schwesterclub des ADAC) bin ich über einen kurzen Kommentar gestolpert, der eine unangenehme Frage stellt: Gibt es künftig genug Strom für alle – für Elektroautos und für KI-Rechenzentren?

Der Artikel beschreibt das Szenario, dass die europäischen Rechenzentren im Jahr 2035 mehr elektrische Energie verbrauchen werden als alle Elektroautos zusammengenommen.
Dabei wird kritisiert, dass dieser große Energieverbrauch nur dem Elektroauto negativ angekreidet wurde, dieselbe Entwicklung bei KI aber noch nicht im selben Ausmaß thematisiert wird.
Rechenzentren vs. E-Autos: Wer zieht mehr?
Ein Beispiel-Szenario setzt den Strombedarf der Elektromobilität (in Europa) auf 53 TWh (2030) und 87 TWh (2035). Demgegenüber stehen für Rechenzentren je nach Studie deutlich höhere Werte – bis hin zu 168 TWh (2030) und 236 TWh (2035). Ab 2030 würde der Verbrauch von Rechenzentren damit bereits über den Elektroautos liegen und 2035 deutlich darüber.
Ein Rechenzentrum ist keine Waschmaschine, die man „irgendwann nachts“ laufen lässt. Natürlich gibt es Optimierung, Notstrom, Lastmanagement – aber im Kern ist es eine dauerhafte, kontinuierliche Last. Der Verbrauch lässt sich nur begrenzt an das volatile Angebot von Wind und Sonne anpassen. Ergebnis: Mehr Rechenzentren bedeuten mehr Grundlast.
Und Grundlast braucht entweder:
- grundlastfähige Erzeugung (Kernkraft, Kohle, Laufwasser – je nachdem, was politisch überhaupt verfügbar ist), oder
- massive Speicher plus intelligente Steuerung, um schwankende Erzeugung in kontinuierliche Versorgung zu übersetzen.
Der vorläufig geschätzte Stromverbrauch für 2025 lag in Deutschland bei etwa 517 TWh. Das Laden aller E-Autos verbrauchte etwa 5 TWh, der Betrieb aller Rechenzentren jedoch bereits 21 TWh. Das liegt deutlich über dem Stromverbrauch der Elektromobilität, hat allerdings bisher niemanden gestört.
Zwei Tabellen – zwei Welten
Die folgenden Planwerte stammen aus unterschiedlichen Studien und sind deshalb nicht direkt vergleichbar. Sie zeigen aber Varianten einer möglichen Zukunft.
| Jahr | Gesamtverbrauch | E-Autos | Rechenzentren |
| 2025 | 517 TWh | ~5 TWh | ~21 TWh |
| 2030 | ~726 TWh (+40%) | ~53 TWh (+960%) | ~34 TWh (+62%) |
| 2035 | ~884 TWh (+22%) | ~87 TWh (+64%) | ~51 TWh (+50%) |
Die Steigerungen der Variante A sind bereits erheblich. Doch mit den wesentlich höheren Schätzungen für die Verbrauchssteigerungen aufgrund des KI-Strombedarfs sehen die Zahlen in Variante B noch dramatischer aus.
| Jahr | Gesamtverbrauch | E-Autos | Rechenzentren |
| 2025 | 517 TWh | ~5 TWh | ~21 TWh |
| 2030 | ~760 TWh (+47%) | ~53 TWh (+960%) | ~68 TWh (+223%) |
| 2035 | ~935 TWh (+23%) | ~87 TWh (+64%) | ~102 TWh (+50%) |
Wenn Variante B Realität wird oder nach manchen Einschätzungen sogar übertroffen wird, ist der Stromhunger der KI-Infrastruktur kein Nebenthema mehr. Dann sprechen wir über einen neuen Verbrauchstreiber, der die Stromwirtschaft grundlegend neu sortieren könnte.
Ein Bericht der Tagesschau verdeutlicht die Situation am Beispiel Irland: In Dublin würden schon 80 Prozent des Stroms durch Rechenzentren verbraucht.
Konserviert KI fossile Stromerzeugung – oder baut sie sie sogar aus?
Der Knackpunkt ist nicht die Jahresbilanz, sondern die Stunden mit wenig Wind/Sonne + Engpässen:
- Mehr fossile kWh in “Dunkelflauten-Stunden”: Zusätzliche, konstante Last aus KI/Cloud erhöht die Grundlast genau dann, wenn Erneuerbare knapp sind. Diese Lücken füllt Deutschland derzeit kurzfristig vor allem mit Gas und teilweise mit Kohle. Dass konventionelle Erzeugung wetterbedingt wieder hochgehen kann, konnte man bereits phasenweise in 2025 beobachten.
- Mehr fossile Kapazität als Backup: Rechenzentren brauchen Versorgungssicherheit. Wenn Netz- und Flexibilitätsausbau hinterherhinkt, steigt der Druck auf zusätzliche gesicherte Leistung (typischerweise Gaskraftwerke, wie es die deutsche Politik bekanntermaßen bereits plant). Das bedeutet einen Ausbau fossiler Infrastruktur, auch wenn die Jahres-Erzeugungsmenge später wieder sinken könnte.
- Stromabnahmeverträge lösen das physikalische Problem oft nicht: Rein bilanzielle Grünstromverträge können die marginale Erzeugung im deutschen Netz in kritischen Stunden trotzdem fossil erfordern, wenn keine 24/7-Deckung, Speicher oder Lastverschiebung dahinterstehen.
Meine Bitte: Ersparen wir uns die nächste Runde des „Brückentechnologie“-Narrativs als Selbstbetrug, denn Erdgas wird nicht zu Wasserstoff, nur weil man es in eine Folienpräsentation schreibt.
Speicher als Pflicht für neue Rechenzentren?
Neben der reinen Erzeugungskapazität wird der wichtigste Erfolgsfaktor die intelligente Zwischenspeicherung von Energie sein, um Spitzenerzeugungen aus erneuerbaren Erzeugungen in Grundlaststrom umzuwandeln (siehe Megaspeicher Arnoldstein).
Sollten diese Speicher für neue Rechenzentren verpflichtend gemacht werden? Das wäre kein Bürokratieprojekt, sondern eine einfache Anschlussbedingung.
Ohne sie läuft Deutschland Gefahr, dass KI nicht nur fossile Stromerzeugung konserviert, sondern sie über den Umweg der „gesicherten Leistung“ sogar wieder ausbaut.

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