Letzte Woche gab es ein Event von internationaler Bedeutung: Die Innotrans 2022 in Berlin. Dabei handelt es sich um die größte Bahntechnikmesse Europas. Weil sie so groß und sperrig ist, findet sie nur alle zwei Jahre statt.
Weil sie letztes Mal (2020) ausfallen musste, war das Interesse in diesem Jahr besonders groß – die Prozession der Anzugträge morgens und abends war dicht und unübersehbar.
Ich durfte drei Tage dort verbringen und ich kann euch sagen: Das ist durchaus anstrengend, obwohl ich nicht als Standpersonal arbeiten musste. Aber man ist ständig im Gespräch, trifft ständig alte und neue Bekannte und verbringt sehr viel Zeit im Stehen.
Angeblich ist Stehen das neue Rauchen – so anstrengend kann Rauchen aber gar nicht sein…
Gelegentlich hat man als Teilnehmer auch Zeit, um einige andere Stände zu besuchen und so bin ich auch auf den Hyperloop der niederländischen Firma Hardt in Halle 4 getroffen. Deren Website ist jedenfalls sehr hübsch gestaltet.
Die Grundidee erscheint nicht abwegig: In Röhren mit auf 0,1 % des Normaldrucks reduziertem Luftdruck werden kompakte Kapseln mit dem Prinzip der Magnetschwebebahn durch die Landschaft geschossen. Das alles natürlich mit vollelektrischem Antrieb und weit weniger Platzbedarf als eine Bahnstrecke. Bis zu 60 Personen sollen in einer Kapsel unterkommen können.
Das klingt bestechend gut, aber wenn man aus der Eisenbahntechnik kommt, oder auch nur häufiger Eisenbahnnutzer ist, dann fallen schon ein paar Problemzonen auf.
Erstens ist das Fahrzeug klaustrophobisch eng – Stehhöhe gibt es nicht. Die Fenster im Modell sind nur für die Messe vorhanden, in Wirklichkeit gibt es sie nicht, denn man würde nur eine Stahlröhre von innen sehen, was landschaftlich nicht besonders reizvoll wäre.
Die Eingangstür ist flugzeugartig und ziemlich klein. Zustieg mit größerem Gepäck oder mit Gehilfen scheint schwierig bis unmöglich, wobei Rollstühle vielleicht sogar im Vorteil sein könnten.
Es gibt weder Tischchen noch Anschlüsse für den Laptop 😉 und über Mülleimer sprechen wir am besten gar nicht. Toiletten sind ebenfalls nicht vorgesehen, also sind mehr als sehr kurze Reisezeiten kaum denkbar.
Dafür gibt es immerhin auch kein gastronomisches Angebot, aber das ist derzeit auch bei der Fernbahn eher eine Seltenheit (meine persönliche Statistik: Auf den letzten vier Fahrten gab es im ICE nur ein einziges Mal ein vollständig aktives Bordrestaurant…).
Und dann kommen noch die weniger offensichtlichen Aspekte, die auf der Website nicht unbedingt plausibel beantwortet werden: Wie kann beispielsweise die Kapsel in Not- und Störungsfall evakuiert werden, ohne die Röhre aufsprengen zu müssen? Was geschieht, wenn die Röhre undicht wird und der Luftdruck vor dem Fahrzeug sprunghaft ansteigt? Wie wird die Luftversorgung im Fahrzeug besorgt, insbesondere im Störungsfall, wenn das Fahrzeug länger in der Röhre bleiben muss?
Trotzdem finde ich es gut, dass es diese Ansätze gibt und neue Ideen ausprobiert werden. Allerdings soll es auch eine Version für Fracht geben, bei der die Frage von Türen, Fenstern und Toiletten keine Rolle spielen würde. Wenn ein derartiges Konzept dazu beiträgt, LKWs von der Straße zu holen, wäre es bereits ein riesiger Erfolg.
Eine Frage drängt sich allerdings auf: Wie steht Hardt zu Elon Musk? Zum Glück helfen uns die FAQs auf der Website weiter. Dort steht zu lesen (Übersetzung aus dem Englischen):
„Die Gründer von Hardt waren Teil des Teams, das 2017 den ersten von Elon Musk organisierten SpaceX-Hyperloop-Wettbewerb gewann. Aus diesem Team ist die Firma Hardt hervorgegangen. Das Team, das jetzt aus einem vielfältigen Team von über 35 Mitarbeitern aus der ganzen Welt und vielen weiteren Spezialisten bei beteiligten Partnerunternehmen besteht, arbeitet unermüdlich daran, dieses neue Transportsystem auf den Markt zu bringen.“
Bei Hardt ist übrigens auch die Deutsche Bahn mit an Bord.
Nächstes Jahr (2023) soll es in Groningen/NL eine 2,7 Kilometer lange Versuchsstrecke für den Hyperloop geben, die Geschwindigkeiten bis zu 700 km/h erlauben soll. Ich bin gespannt!
Hardt sucht übrigens Personal, wer also in Rotterdam arbeiten möchte, hier ist der Link dazu.
Interessanterweise gibt es in Spanien eine sehr ähnliche Firma mit sehr ähnlichen Ansprüchen, die unter dem Namen Zeleros auftritt. Interessanterweise findet sich das Logo von Zeleros auch auf den Ausstellungsstücken von Hardt.
Auch dieses Team gibt an, aus dem SpaceX-Wettbewerb hervorgegangen zu sein. Ähnlich zu Hardt wird Zeleros von staatlichen Stellen mitfinanziert. Interessanterweise ist der spanische Zughersteller CAF mit von der Partie.
Auch in Deutschland gibt es ein derartiges Unternehmen, die TUM Hyperloop bzw. den Verein NEXT Prototypes e.V., der aus der TU München hervorgetreten ist. Auch TUM sucht Beschäftigte, und zwar in absolut allen Sparten. Arbeitsort wäre München. Schlüsselpartner für TUM ist Airbus. Und natürlich war auch dieses Team beim SpaceX-Wettbewerb vertreten.
Bisher gibt es allerdings nur ein einziges Röhrensegment mit 18 Metern Länge und ein Demonstrator-Fahrzeug. Auch die FAQ ist deutlich kürzer als bei den anderen Firmen, es gibt lediglich drei Fragen.
Es geht im dichten Segment der Hyperloops durchaus spannend zu! Wir werden erleben, welche davon sich eher wie Tesla Motors entwickeln wird und welche eher wie Sono Motors…
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