39 Cent am Wochenende

Die Information wurde in den Medien gut platziert: Bei Nextnews, Ecomento, Electrive, AutoBild und auch im Hamburger Abendblatt wurde über den Preis einer Kilowattstunde von 39 Cent am Wochenende von Shell Recharge berichtet.

Für Abonnenten des „e-Deals“ für EUR 4,99 im Monat lag der Preis bei nur 29 Cent pro Kilowattstunde und damit bereits im Bereich typischer Hausstromverträge.

Für Shell war es wohl kein großes Verlustgeschäft: An einem Sommerwochenende mitten in der Ferienzeit sind die Börsenstrompreise erwartbar niedrig.

An diesem Sonntag blieb der Börsenstrompreis ungewöhnlich lange nahe Null: Am 3. August 2025 war Strom zwischen 7 und 17 Uhr praktisch kostenlos. Für Ladestrom gilt also weiterhin: Echte Geschenke gibt es nicht.

Doch wie haben die Kunden reagiert? Sind automobile Sparbrötchen und Schnäppchenjäger in Scharen losgezogen, um den (relativen) Billigstrom in ihre Batterien zu pressen?

39 Cent am Wochenende ist noch kein guter Tarif

Mein Bericht ist naturgemäß nur anekdotisch und keine statistische Erhebung. Dennoch war ich an den vier Ladepunkten von Shell Recharge auf dem Parkplatz eines geöffneten Penny-Marktes in Berlin gänzlich allein.

Erst nach Ende meines Ladevorgangs kam ein weiteres Elektroauto hinzu, ein Fiat 500e.

Von Schlangen konnte keine Rede sein und für Deutschland gab es bislang keinerlei Berichte von überlaufenen Ladestandorten.

Die Gründe dafür sind offensichtlich:

  • Die Wahl eines verkehrsschwachen Wochenendes als Aktionszeitraum;
  • 39 Cent sind noch zu viel, um Heimlader anzuziehen;
  • Die extrem kurze Ankündigungszeit – wer auf öffentliches Laden angewiesen ist, konnte sein Verhalten nicht wirksam anpassen (Pressemitteilung am 1. August 2025 – am Starttag der Aktion);
  • Langstreckenfahrer orientieren sich mehr an der Route, als am absolut billigsten Strompreis.

Ich habe selbst nur knapp 20 Kilowattstunden geladen, weil ich keinen größeren Bedarf hatte.

Offiziell segelte das Projekt unter dem Titel „dynamische Ladestrompreise“. Die AutoBild war dazu nicht sehr beeindruckt:

Das ist im Vergleich zu anderen Schnelllade-Tarifen recht günstig, aber auch nicht überwältigend billig. Hält der Netzbetreiber noch niedrigere Tarife für möglich? „Es ist denkbar, dass die Preisspanne größer wird, aber auch, dass sie kleiner wird“, so ein Unternehmenssprecher.

Der Weg ist jedoch klar: Insbesondere die Betreiber von Tankstellennetzen möchten dynamische Preise ähnlich wie bei fossilen Treibstoffen etablieren.

Paradoxerweise hat die Einführung einer Markttransparenzstelle für fossile Treibstoffe den Kunden nicht geholfen. In einem Interview des Tankstellenbetreibers Gerd Kartes in der FAZ wurde es deutlich angesprochen:

„Ich erinnere mich noch daran, wie in den frühen Neunzigerjahren eine Benzinpreiserhöhung um einen Pfennig in der Tagesschau vermeldet wurde. Dass sich die Tankstellenpreise zwanzigmal am Tag oder noch öfter ändern, das haben wir eigentlich erst, seit es die Markttransparenzstelle gibt. (…) Das hat mehr geschadet als genutzt, weil seither auch die Mineralölkonzerne immer ganz genau wissen, was der Liter Benzin gerade bei der Konkurrenz kostet. (…) Die Preise ändern sich heute so oft, dass sie bei den Kunden nur noch für Verwirrung sorgen.“

Gelegentlich wird bei den Ladetarifen eine ähnliche Markttransparenzstelle gefordert. Wer das tut, sollte sich die Auswirkungen bei den fossilen Brennstoffen genau ansehen. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht!


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