Die Krise der Kohlenstoffabscheidung

Während die Glasgow Climate Change Conference ohne klares Bekenntnis zum Kohleausstieg endet, versucht sich die Kohleindustrie in den USA mit neuen Argumenten im Markt festzuklammern. Eine Kohle-Lobbygruppe in Norddakota hat eine Werbekampagne mit dem klingenden Titel „Drive Electric North Dakota“ gestartet, um die Kohleverstromung als zuverlässige Basis der Elektromobilität zu positionieren.

Norddakota hat allerdings derzeit den geringsten Anteil an E-Autos in den USA: Es sollen lediglich 266 Stück sein. Durch Werbung für das Elektroauto möchte die Kohleindustrie den Bedarf für elektrische Energie steigern und damit die Kohleverstromung profitabel im Markt halten. So hatte ich bereits in meinem Buch, dem „E-Dilemma“ argumentiert: Besonders wer über Nacht lädt, verfestigt unter Umständen den Bedarf an Kohle- und Atomstrom. Die Abhilfe ist das Laden wenn die Sonne scheint, also am späten Vormittag und am frühen Nachmittag unter Vermeidung der Mittagsspitze.

Nun ist Kohleverstromung nicht gerade als CO2-neutral bekannt. Wie möchte die Kohleindustrie diesen gewaltigen geistigen Spagat hinbekommen? Ganz einfach: Mit Kohlendioxidabscheidung.

Doch gerade diese Technologie hat in Norddakota eine gewaltige Niederlage erlitten. Für der Milton R. Young Generation Station, die am Rande eines Kohlefördergebiets liegt, wurde eine Abscheideanlage errichtet. Nach Investitionen von 7,5 Milliarden US-Dollar wurde das Projekt am 9. Oktober 2021 mit einer Sprengung beendet, abgeschrieben als elfjähriger ökonomischer Misserfolg.

Nach wie vor ist die CO2-Abscheidung technisch machbar, aber offensichtlich ökonomisch schwierig. Außerdem kann niemand genau sagen, ob das Kohlendioxid dann auch dort bleibt, wo man es abgelagert hat. In Island gibt es zwar ein derartiges Projekt in Betrieb, aber es ist mit hohen Kosten und großem Energieverbrauch verbunden. Das Ergebnis ist keineswegs CO2-Freiheit, lediglich eine CO2-Reduktion der Energieproduktion. Erneuerbare Energieproduktion führt auch gegenüber dem Einsatz von CO2-Abscheidung zu deutlich geringerer Belastung mit Klimagasen. Derzeit werden nur etwa 9.000 Tonnen CO2 abgeschieden, in Vergleich zum globalen Ausstoß praktisch nicht existent.

Die Zukunft der Kohlenstoffabscheidung ist also deutlich weniger glanzvoll, als uns die Kohle- und Ölindustrie gerne verkaufen möchte. Die Kohlenstoffabscheidung ist keine Lösung zur Verlängerung von Kohle- und Ölverbrauch, denn trotz Einsatz dieser Abscheidungstechnologie würden nach wie vor unwiederbringliche Rohstoffe zerstört. Und besonders gut funktioniert die Kohlenstoffabscheidung auch nicht.

Eine ähnliche Strategie wird mit dem Blauen Wasserstoff verfolgt, der durch Gasreformation aus Erdgas erzeugt wird, aber durch Kohlenstoffabscheidung begrünt werden soll – als ein weiterer fossiler Brennstoff, der mit hohem Energieeinsatz erzeugt wird und den Eindruck von Umweltfreundlichkeit vermitteln soll.

Die Aussicht auf die Verbreitung von E-Autos war sicher nur für die wenigsten mit der Aussicht verbunden, die Kohleverstromung, den Ölverbrauch oder die Gasproduktion anzuregen…


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