Das Drama der Ladesäulenverordnung

Relativ unbemerkt hat das Bundeskabinett am 12. Mai 2021 eine Novellierung der Ladesäulenverordnung beschlossen. Zwar wurde immer wieder diskutiert, wie das Bezahlsystem aussehen könnte, aber der Entwurf ist nun diesbezüglich klar: Es wird ein kontaktloses Kartenlesegerät und ein PIN-Pad gefordert.

Nachrüstungspflicht wird es keine geben und die Ausrüstungspflicht greift erst für ab Mitte 2023 installierte Ladesäulen, in zwei Jahren also. Bis dahin wird es also keinerlei Änderungen – geschweige denn Verbesserungen! – für die Nutzer:innen von E-Autos geben. 2023 werden dann etwa 150.000 Ladesäulen stehen, die weiterhin mit unterschiedlichen Karten und Apps freigeschaltet werden müssen. Der Flickenteppich von Bezahlsystemen wird also noch auf viele Jahre weitergeführt. Trotzdem sind die Kosten der LSV atemberaubend hoch.

Dazu steht im Referentenentwurf der Zweiten Verordnung:
„E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft ergibt sich eine Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwands von rund
5 150 000 Euro. Die Änderungen wirken sich nicht auf die mit Informationspflichten verbun-
denen Bürokratiekosten aus. Insgesamt entsteht ein einmaliger Aufwand von geschätzt
165 000 000 Euro. Dieser ist der Anschaffung oder Nachrüstung von Maschinen, Anlagen,
Gebäuden und Infrastruktureinrichtungen zuzuordnen.“

Und diese 165 Millionen werden entweder wegsubventioniert (= alle Steuerzahler werden belastet) oder auf den Ladevorgang umgelegt werden müssen (= E-Auto-Nutzer:in bezahlt). Es wird wohl im Endeffekt eine Mischung werden.

Dann bleiben nur noch die knapp 5,2 Mio Euro an erhöhten Betriebskosten pro Jahr.

Zusätzlich gibt es Kosten ausschließlich zu Lasten des Steuerzahlers:
„D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Durch die Neuregelungen und die sehr hohen Fallzahlen aufgrund der politischen Zielset-
zung für den Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur entstehen für die Bun-
desnetzagentur jährliche Kosten in Höhe von insgesamt 1 041 597 Euro.“

Also zusätzlich über eine Million Steuergeld, jedes Jahr.

Das ergibt über 20 Jahre gerechnet ungefähr 290 Millionen Kosten für die Nicht-Lösung eines Problems, das durchaus anders und eleganter zu lösen gewesen wäre. Und bei dieser Idee hatte nicht einmal das Verkehrsministerium die Finger im Spiel!

Mit wesentlich weniger Aufwand hätte man die Entwicklung der direkten Abrechnung durch Kommunikation zwischen Auto und Ladesäule vorantreiben können. Das hätte nebenbei den Vorteil gehabt, dass man die Ladesäule bei Kälte, Regen und Wind in aller Ruhe im Auto mit dem günstigsten Tarif aktivieren könnte oder das Auto das wunschgemäß einfach selbst erledigt. Weshalb man an den Ladesäulen Anzeigen vorschreibt, obwohl jedes E-Auto über mehr als ausreichende Anzeige- und Eingabemöglichkeiten verfügt, bleibt ein Rätsel. Oder ist wohl die Folge von Regulierungen, die ohne jedes Wissen über Elektromobilität entstehen.

Der Einfluss auf die Ladekosten ist offensichtlich. Versuchen wir eine Überschlagsrechnung, um zu konkreten Zahlen zu kommen!

Gemäß der Angaben in diesem Artikel gab es vor Corona etwa 113.000 Ladevorgänge an öffentlichen Ladesäulen pro Woche, also rund 5,9 Millionen Ladevorgänge pro Jahr.

Aus dem Gesetzesentwurf konnten wir entnehmen, dass auf der Seite der Wirtschaftsunternehmen 165 Mio Einmalkosten und 5,2 Mio jährliche Kosten anfallen. Über 10 Jahre verteilt ergibt das jährliche Kosten von 21,7 Mio. Geteilt durch die Anzahl der Ladevorgänge betragen die Mehrkosten pro Ladevorgang satte 3,7 Euro.

Bei einem Ladevorgang mit 40 kWh Energiemenge könnte der Strompreis um 9,25 Cent pro kWh steigen. Ein derartiger Zuschlag stellt die zu Jahresbeginn 2021 eingeführte CO2-Abgabe auf Verbrennerkraftstoffe locker in den Schatten, hat dafür aber keinerlei klimapositive oder verhaltenssteuernde Auswirkungen.

Weil die Wirtschaft damit naturgemäß wenig Freude hatte, wurden sofort öffentliche Förderungen – also Steuergelder – in Aussicht gestellt. Eine bizarre Idee wird aber nicht deswegen besser, nur weil jeder Steuerzahler daran finanziell beteiligt wird.

Immerhin entstehen mit den Einnahmen auch Arbeitsplätze in Deutschland.

Natürlich wird die durch mehr E-Autos auf den Straßen absehbar steigende Anzahl der öffentlichen Ladevorgänge diese Mehrkosten pro Ladevorgang laufend verdünnen, aber so sieht es erstmal aus ☹

Vielleicht kann der Bundesrat da noch etwas retten…


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Eine Antwort zu „Das Drama der Ladesäulenverordnung“

  1. […] ist schon beinahe deutlich als Ladegelegenheit zu erkennen, erfüllt mit dem Display die Anforderungen der LSV bereits und sieht auch irgendwie nach Säule aus. Nach der Apokalypse kommt offensichtlich die […]